Auszüge aus dem Gedichtband Unser Haus (2022)
von Emilya Icer
Wohnzimmer
Lieg in deinem Shirt,
Kilometer entfernt von dir,
es riecht nicht mehr nach dir,
vielleicht riech ich dich auch einfach nicht mehr,
vielleicht hab ich mich still und heimlich ein bisschen verliebt,
du warst das wunderschöne Haus am Stadtrand
auf dem Einsturzgefahr stand,
ich wollt es trotzdem unbedingt haben.
Ein paar Tage im Wohnzimmer,
dann ist es eingestürzt,
so unerwartet erwartet,
denn trotz der Warnung wirkte es stabil,
vielleicht war ich naiv,
vielleicht find ich Kraft und bau´s irgendwann mal wieder auf,
vielleicht steht auf der anderen Seite ein noch viel schöneres Haus.
Hock auf den Trümmern,
sie verlieren an Schönheit,
je länger ich sie anstarre.
Der Staub brennt auf der Haut,
misch Wut in die Trauer und plötzlich sieht alles anders aus.
Blitzableiter
Du bist wie ein Blitzableiter;
ich kenn keinen Ort,
an dem ich sicherer bin als mit dir.
Ohne zu wissen, dass es draußen zuzieht,
hältst du mich warm.
Bei dir ist Frieden,
auch wenn draußen Krieg herrscht
Du bist wie eine Schutzmauer,
die mich den Lärm draußen vergessen lässt.
Du bist wie ein Bilderbuch,
das ständig ein Ideal repräsentiert;
nur versuchst du es nie zu sein,
sondern bist es in seiner natürlichsten Form.
Mit dir ist alles gesund
ohne daran arbeiten zu müssen.
Liegst du nachts wach und kriegst den Kopf nicht frei
Liegst du nachts wach und kriegst den Kopf nicht frei;
versuchst du manchmal aufzustehen
und schaffst es nicht, weil sich jeder Muskel anfühlt wie Blei?
Zuckst du zusammen, wenn du mein Auto vorbeifahren siehst;
weißt du welchen Weg du nehmen musst,
um nicht auf mich zu treffen,
und schaffst es doch nicht ihn zu nehmen?
Wird alles verschwommen, wenn du dein Hemd anziehst
und dann bemerkst, wann du es das letzte Mal anhattest?
Gehst du manchmal in unsere Playlist,
weil du denkst es tut nicht mehr weh, und hältst doch nicht ein Lied aus?
Fragst du dich manchmal, wo ich gerade bin und endest in Tränen,
weil jeder Ort, an dem du nicht bist, der falsche für mich ist?
Willst du manchmal alles löschen und hängst doch zu sehr an der
Erinnerung?
Erzählst du deinen Freunden, alles cool, und zerbrichst daran, so zu tun?
Suchst du stundenlang nach einer Medizin
und landest mit einer Flasche Wein zwischen Menschen,
die dich gar nicht interessieren?
Verlässt du keine Party mehr alleine, weil du Angst vor der Stille hast?
Und wenn du sie küsst und die Augen schließt,
siehst du dann manchmal mich,
wenn du nachts auf unserer alten Bank sitzt und die Hand vor den Augen nicht siehst,
siehst du dann mich?