Blaudruck: Fabian Schwankhart
von Elena Nahen
„Hör auf zu popeln!“
Ich schaue Mama an und stecke den Popel in den Mund.
Sie knallt ihr Glas auf den Tisch. Wasser schwappt über den Rand und in ihren Teller. Jetzt sieht der Spinat noch wässriger aus. Ich kaue auf meinem Popel und schlucke ihn runter. Ich suche und finde noch einen, den ich Mama hinhalte.
„Ich kann das nicht mehr“, sagt Mama.
„Du musst erst fragen, ob du aufstehen darfst“, sage ich, da knallt die Küchentür schon hinter ihr zu.
Ich fahre mit dem Finger über die Panade der Fischstäbchen. Die Tür bleibt geschlossen. Ich höre trotzdem, dass Mama telefoniert.
„Du musst sie wieder abholen kommen. Ich schaffe das nicht.“
Ich höre, wie Mama eine Schublade aufzieht und wieder zuschiebt. Auf und zu.
„So lange noch? Kannst du nicht früher Schluss machen?“
Ich probiere jetzt doch vom Spinat. Er tropft von der Gabel.
„Ok“, sagt Mama, „bis gleich.“
Sie öffnet die Tür und ich spucke den Spinat aus. Ich schaue Mama an. Sie steht nur da und schaut zurück. Ich nehme mein Glas und schütte das Wasser in den Teller. Der Spinat wird aufgeschwemmt und kleine grüne Fetzen schwimmen über den Tellerrand auf die Tischdecke.
Mama sagt immer noch nichts. Sie setzt sich auf den Boden, lehnt den Kopf gegen die Wand und schließt die Augen.
Ich spieße ein feuchtes Fischstäbchen auf und nehme einen Bissen. Dann noch einen. Ich schaue zu Mama. Sie hat die Augen immer noch geschlossen. Ihre Wangen sind nass. Ich rutsche vom Stuhl und hocke mich neben sie.
„Mama“, sage ich. Aus ihrer Nase läuft Rotz. Mit meinem Ärmel wische ich ihn weg.
„Mama“, sage ich nochmal. Ich beuge mich vor und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich bin jetzt lieb, versprochen.“
Mama seufzt. Sie öffnet die Augen, aber sie schaut an mir vorbei. Ich greife nach ihrer Hand und will sie hochziehen. Sie zieht die Hand weg und steht auf.
„Ich muss mich jetzt hinlegen“, sagt sie, geht in ihr Schlafzimmer und schließt die Tür hinter sich.
Ich setze mich zurück an den Tisch und esse meine Fischstäbchen auf. Dann hole ich einen Löffel aus der Küche für den Spinat.
Elena Nahen, geboren am 04.05.1999 in Bonn
Teilnahme an der Bayerischen Akademie des Schreibens
Preisträgerin 36. Fränkischer Preis für junge Literatur
Psychologiestudium an der Universität Bamberg