Sommertagebuch

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Von Vivien Claire Bergjann

  1. Juni, in einem Som­mer, der mich zer­flie­ßen ließ.

    Die Hit­ze steht mit brei­ten Bei­nen im Raum.
    Das Meer an mei­ner Decke: Seit drei Jah­ren Ebbe.
    Kann man sich in Sät­ze ver­lie­ben?
    Ich glau­be, dass ich wuss­te, wer du warst, ich weiß nur nicht, wer das „DU“ ist.
    Erin­nerst du dich dar­an, wie der Som­mer frü­her war?
    Er war anders.
    In mei­nem Kopf bin ich ganz anders und schwit­ze weni­ger.
    Ich set­ze Wor­te auf dem Papier zusam­men. Die Wor­te baue ich selbst an und hof­fe, dass sie wach­sen.
    Doch der Regen bleibt aus.
    Die Zeit ver­trock­net im Sonnenlicht.

 

  1. Juni, in einem Som­mer, der kei­ner war.

Das Wet­ter sieht so aus, wie ich mich füh­le: unru­hig.
Ich fra­ge mich, was Urinstinkt ist und was nur der Regen.
Woher kommt die Angst?
Sie wie­der­holt sich in die­ser Fami­lie wie der Regen im Som­mer.
Du wie­der­holst dich nicht mehr. (Du bist gegan­gen und hast den Som­mer mit­ge­nom­men).
Ich träu­me von Din­gen, die ich nicht getan habe und sie pras­seln mir auf den Kopf.
Dabei ver­ges­se ich die Lis­te auf mei­nem Schreib­tisch, mit all den kei­men­den Wor­ten, die die­ser Som­mer nicht weg­wa­schen wird.
Der Regen ver­än­dert mich und das unter­schei­det uns voneinander.

 

  1. Juni, in einem Som­mer, der mich veränderte.

Der Regen wur­de zur Flut. Hoch­was­ser in mei­nem Kopf.
Ich schwim­me zwi­schen Erin­ne­run­gen, Aus­sa­gen und Ent­täu­schung.
Du bist das kal­te Was­ser in einem See aus Miss­ver­ständ­nis und Geheim­nis­sen.
Du hast gesagt: Wer nicht schwim­men kann, soll nicht ins Was­ser gehen (aber wir wur­den ja geschubst).
Klam­mern uns an das biss­chen, das wir wis­sen und gehen dann dar­an zugrun­de, wenn es zu Luft wird.
Luft brennt in mei­nen Kie­men.
Der Som­mer zer­fließt zwi­schen der Flut.

Die illus­trie­ren­de Foto­gra­phie stammt von Vivi­en Clai­re Berg­jann selbst. 

Vivi­en Clai­re Berg­jann wur­de 2001 in Aalen gebo­ren und absol­vier­te nach ihrem Abitur ein FSJ Kul­tur am Thea­ter der Stadt Aalen. Hier insze­nier­te sie ein eige­nes Kin­der- und Jugend­thea­ter­stück, wel­ches auf­grund der COVID-19 Pan­de­mie zu einer digi­ta­len Insze­nie­rung umge­wan­delt wur­de. Das Stück „Sag doch was!“ hin­ter­fragt Mei­nungs- und Gesell­schafts­bil­der und ermu­tigt Kin­der und Jugend­li­che zu sich selbst und ihren Ansich­ten zu ste­hen.
Nach Abschluss ihres FSJ Kul­tur begann Vivi­en ein Stu­di­um der Kunst- und Kul­tur­ge­schich­te an der Uni­ver­si­tät Augs­burg. Neben­her geht sie wei­ter­hin ihrer Lei­den­schaft zum Schrei­ben nach und so ent­sprin­gen manch­mal Lyrik, Thea­ter­stü­cke, Kurz­ge­schich­ten oder Tex­te, wel­che sich nicht so rich­tig in eine bestimm­te Text­gat­tung ein­glie­dern las­sen, ihrer Feder. Sie schwankt zwi­schen har­ter Rea­li­tät und ver­träum­ten Visio­nen, wel­che zum Nach­den­ken anre­gen sollen.