Wo gehört man hin? Wo will man leben?

You are currently viewing Wo gehört man hin? Wo will man leben?

Ein Gespräch mit Kristof Magnusson

von Manu­el Illi

Wo gehört man hin? Wie will man leben? Der Autor Kris­tof Magnus­son geht die­sen Fra­gen nicht nur in sei­nen Thea­ter­stü­cken und Roma­nen (Zuhau­se, 2005; Das war ich nicht, 2010) nach. Im Inter­view mit Schau ins Blau erklärt er, war­um man nicht erst die Hei­mat ver­las­sen muss, um sich fremd zu füh­len, was sich hin­ter dem Wort ‚Zuhau­se‘ alles ver­ber­gen kann und war­um Gene­ra­ti­ons­eti­ket­tie­run­gen wenig Sinn machen.

SCHAU INS BLAU: Kris­tof, Du hast Dich mit dem The­ma Fremd­heit schon inten­si­ver beschäftigt?

KRISTOF MAGNUSSON: Ja, ein Freund, Micha­el Kratz, und ich wer­den bei einer Som­mer­uni­ver­si­tät die­ses Jahr dazu ein Semi­nar geben. Der Titel ist „Zuhau­se in der Fremd­heit”. Micha­el ist Diplo­mat beim Aus­wär­ti­gen Dienst im Migra­ti­ons- und Asyl­re­fe­rat. Auf der einen Sei­te wol­len wir von einer poli­ti­schen Per­spek­ti­ve aus­ge­hen und zum Bei­spiel klä­ren, was das heißt: „Poli­tisch Ver­folg­te genie­ßen Asyl”. In einem zwei­ten Block wol­len wir dem Gedan­ken nach­ge­hen, wie in Lite­ra­tur damit umge­gan­gen wird. Es gibt ja wahn­sin­nig viel Lite­ra­tur, in der Autoren ent­we­der einer ver­lo­re­nen Hei­mat hin­ter­her­schrei­ben oder ver­su­chen, sich in der Frem­de zurecht­zu­fin­den. Man könn­te sagen, dass es sich um zwei Bewe­gun­gen han­delt, einer­seits das Erin­nern und ande­rer­seits das Ver­ar­bei­ten von Fremd­heits­ge­füh­len an dem Ort, wo man ist. Bei­des sind ganz star­ke Schreibanlässe.

SCHAU INS BLAU: Was fas­zi­niert Dich an dem Thema?

KRISTOF MAGNUSSON: Merk­wür­di­ger­wei­se hat mich das The­ma schon immer inter­es­siert, obwohl ich sel­ber in Ham­burg gebo­ren und dort auf­ge­wach­sen bin und die ers­ten zwan­zig Jah­re mei­nes Lebens nicht ein­mal umge­zo­gen bin. Unmit­tel­bar gibt es in mei­ner Bio­gra­phie kei­ne Migra­ti­on — abge­se­hen von dem bikul­tu­rel­len Hin­ter­grund Deutsch­land-Island. Mir war immer klar, dass Deutsch mei­ne Mut­ter­spra­che ist und ich in Ham­burg zu Hau­se bin. Island war immer mei­ne zwei­te Hei­mat. Wahr­schein­lich braucht man gar kei­ne Fremd­heits­er­fah­rung; eine Zuhau­se­e­r­fah­rung kann genau­so dazu füh­ren, dass man nach den Fak­to­ren fragt, die das defi­nie­ren, wo man sich zu Hau­se fühlt. Und Schrift­stel­ler über­le­gen sich dann natür­lich ganz schnell: Wie nar­ra­ti­viert man das? Und so gelangt man eben­so schnell beim Schrei­ben zu der Fra­ge: Wo gehört man hin? Wo will man sein? Ähn­lich wich­tig ist für mich in Das war ich nicht die Fra­ge: Wie will man leben? Ich bin immer sehr vor­sich­tig mit Aus­sa­gen wie: Heu­te wird die Welt immer unüber­sicht­li­cher oder gewalt­tä­ti­ger. Das hal­te ich für einen höchst ärger­li­chen Blöd­sinn. Der ein­zi­ge Punkt, an dem man so etwas, wie ich fin­de, zu Recht sagen kann, ist die Auf­lö­sung der Bio­gra­phien. Denk­mus­ter wie: Man ist jung und suchend, dann lässt man sich nie­der und schließ­lich fin­det man sei­nen Weg — das zählt heu­te alles gar nicht mehr. Das ist tat­säch­lich ein Kenn­zei­chen unse­rer Zeit, das nach­zu­er­zäh­len ich immer wie­der auf­re­gend fin­de.
Das Zuhau­se ist letzt­end­lich auch immer voll von Flucht­be­we­gun­gen — die Ver­gan­gen­heit holt einen immer wie­der ein. In mei­nem neu­en Roman ist das auch so: Alle drei Prot­ago­nis­ten hau­en ab und mer­ken dann, dass sie sich sel­ber mit­neh­men müs­sen. Ich habe ein­mal ein Thea­ter­stück mit einer Obdach­lo­sen­thea­ter­grup­pe gemacht: Rat­ten 07. Das war an der Volks­büh­ne am Rosa-Luxem­burg-Platz in Ber­lin mit einem Ensem­ble von Obdach­lo­sen, die Frank Cast­dorf zusam­men­ge­bracht hat: Ursprüng­lich haben sie Büch­ner, Sart­re, und so wei­ter gespielt. Irgend­wann woll­ten sie ein eige­nes Stück ent­wi­ckeln und das habe ich mit ihnen gemein­sam geschrie­ben. Das The­ma war für mich also schon immer da. Viel­leicht ist das Inter­es­se auch durch mei­nen Zivil­dienst mit Akti­on Süh­ne­zeich­nen in New York ent­stan­den, wo ich mit Holo­cau­st­über­le­ben­den und Obdach­lo­sen gear­bei­tet habe. Bei­de Grup­pen haben ganz ver­schie­de­ne aber trotz­dem tie­fe Entwurzelungserlebnisse.

SCHAU INS BLAU: Ent­wur­ze­lungs­er­leb­nis­se wer­den auch in Das war ich nicht beschrie­ben. Für Hen­ry LaMarck, ein Best­sel­ler­au­tor unter Erfolgs­druck, bedeu­tet die selbst gewähl­te „Flucht” aus den USA aller­dings die Mög­lich­keit eines Neu­an­fangs. Um was für eine Art von Flucht han­delt es sich dabei?

KRISTOF MAGNUSSON: Wenn einen nicht äuße­re Umstän­de ent­wur­zeln, kann man das her­vor­ra­gend sel­ber machen, zum Bei­spiel dadurch, dass man sich von sei­nem eige­nen Leben ent­frem­det. Das ken­nen wahr­schein­lich sehr vie­le Leu­te: Man lebt ein Leben und fin­det es ganz okay. Und trotz­dem ero­diert es kaum merk­lich, bis man an irgend­ei­nem Tag rea­li­siert, dass es so nicht mehr wei­ter­geht. Es ist natür­lich eine Art Luxus­pro­blem, aber von denen ist es das­je­ni­ge, das mich am meis­ten reizt. Mai­ke Urban­ski in Das war ich nicht sagt: Ich hat­te Heim­weh obwohl ich seit zehn Jah­ren hier gelebt habe. Heim­weh nach einem Ort, von dem ich nicht wuss­te wo er war. Das sich Zuhau­se-Füh­len kann an einem Ort, an dem man lan­ge wohnt, auch abster­ben und das geschieht meist schleichend.

SCHAU INS BLAU: Voll­zieht sich ein ähn­lich schlei­chen­der Pro­zess auch in Dei­nem Roman Zuhau­se?

KRISTOF MAGNUSSON: Ja, und das ist immer auch lite­ra­risch inter­es­sant, man kann mehr in die Tie­fe schau­en, da es sich eben nicht um einen gro­ßen Knall han­delt. Und abge­se­hen davon ist ein lang­sa­mer Pro­zess natür­lich auch rein hand­werk­lich eine schö­ne Sache, da man dau­ernd Motiv­ver­bin­dun­gen her­stel­len kann zwi­schen den Schau­plät­zen und den Figu­ren. Man kann mit die­ser Inter­ak­ti­on bes­ser Ver­dich­tung erzeu­gen. Das ist auch in Zuhau­se der Fall: Fami­lie ist in Island wahn­sin­nig wich­tig und an Weih­nach­ten ganz beson­ders. Inso­fern war es logisch, dass der Roman in Island spie­len muss­te, weil das mei­ner Mei­nung nach die maxi­ma­le Ver­dich­tung des Fami­li­en­the­mas ist: Island — Weih­nach­ten. Bei Das war ich nicht ist die Ver­bin­dung nicht ganz so stark, aber den­noch vor­han­den. Die Stadt Chi­ca­go mit ihren Stra­ßen auf meh­re­ren Ebe­nen, auf denen Leu­te wun­der­bar anein­an­der vor­bei­ge­hen kön­nen, zeigt das, wor­um es in dem Roman geht: um das Anein­an­der-Vor­bei­ge­hen. Oder auch das an sich selbst Vor­bei­ge­hen, indem man sich Din­ge vor­macht, was wie­der­um auch der Erzähl­wei­se des neu­en Romans geschul­det ist. Der Selbst­be­trug lässt sich her­vor­ra­gend zei­gen, wenn man drei ver­schie­de­ne Ich-Per­spek­ti­ven hat. Wenn eine Figur sich dau­ernd selbst betrügt, kann das aus der Gegen­sicht einer ande­ren schön ent­larvt wer­den. Es grei­fen nicht nur Ort und Per­so­nen­kon­stel­la­ti­on inein­an­der, son­dern auch die Erzählweise.

SCHAU INS BLAU: Im Roman Zuhau­se gibt es noch eine ande­re Figur, eine Cut­te­rin, die Larus’ Film schnei­det. In der Vor­weih­nachts­zeit fragt er sie bei­läu­fig, ob sie zu den Fest­ta­gen nach Hau­se fährt. Sie ant­wor­tet, „sie sei jedes Weih­nach­ten bei sich zu Hau­se, wo auch immer sie sei, wenn Zuhau­se nicht sowie­so ein Kon­strukt sei, genau wie frei­er Wil­le und Geschlechter”.

KRISTOF MAGNUSSON: Ja, das ist so ein biss­chen Häme…

SCHAU INS BLAU: Wir wis­sen also schein­bar, dass Hei­mat und Zuhau­se Kon­struk­te sind, aber trotz­dem sit­zen wir die­sen Kon­struk­ten auf — ganz wie die Cut­te­rin, die trotz allem emo­tio­nal reagiert.

KRISTOF MAGNUSSON: Das ist doch die Post­mo­der­ne, oder? Din­ge reflek­tie­ren, als Kon­struk­te ent­lar­ven und dann trotz­dem machen; die­ser Wil­le, inko­hä­ren­te Denk­be­we­gun­gen ein­fach par­al­lel lau­fen zu las­sen, ohne sich fra­gen zu müs­sen, wie die Wider­sprü­che zu ver­söh­nen sind.

SCHAU INS BLAU: Und außer­dem ist ‚Zuhau­se‘ nicht mit ‚Hei­mat‘ gleich­zu­set­zen, oder? Hei­mat ist ein gro­ßer Begriff. Hei­mat ist grö­ßer als das Indi­vi­du­um, das sagt: Das ist mei­ne Hei­mat. Sie ist ver­bun­den mit Spra­che, mit Ritua­len, mit der Land­schaft usw. Das Zuhau­se dage­gen ist etwas, das der Gestal­tung des Ein­zel­nen unter­wor­fen ist und bie­tet mehr Raum für Will­kür. Hei­mat kann man nicht will­kür­lich gestalten.

KRISTOF MAGNUSSON: Man bin­det sich mit dem Erwäh­nen des Wor­tes ‚Hei­mat‘ immer in einen kul­tu­rel­len Kon­text ein — ein­mal abge­se­hen davon, dass es für man­che Leu­te noch unan­ge­nehm völ­kisch klingt. So etwas von die­sem Blut und Boden ist schon immer noch dabei — die Hei­mat­front. Es gibt eben nicht die ‚Zuhau­se-Front‘. Im Deut­schen haben wir die wun­der­ba­re Mög­lich­keit bei­des zu tren­nen und dadurch ist Zuhau­se, wie du sagst, etwas, das man gestal­tet, das mehr Spiel­raum bie­tet — aller­dings auch Spiel­raum zur iro­ni­schen Bre­chung. Vor eini­gen Jah­ren bin ich mit der U‑Bahn durch Ber­lin gefah­ren. Damals ist Uni­ver­sal Music gera­de von Ham­burg nach Ber­lin gezo­gen, was sehr umstrit­ten war, da vie­le der Mit­ar­bei­ter nicht nach Ber­lin woll­ten. Die Fir­ma bezog einen rie­si­gen, reprä­sen­ta­tiv umge­bau­ten Spei­cher an der War­schau­er Brü­cke. An das Gebäu­de wur­de ein gro­ßes Ban­ner gehängt: „Zuhau­se”. Das ist eigent­lich infam bei einem glo­ba­len Kon­zern, der sei­ne Mit­ar­bei­ter ent­wur­zelt, die ohne­hin kaum zu Hau­se sind, weil sie so viel arbei­ten müs­sen. Das heißt, das Wort ‚Zuhau­se‘ hat die­se ver­schie­de­nen Bre­chun­gen. Auf die­sel­be Art und Wei­se mit dem Begriff Hei­mat zu spie­len, bie­tet sich nicht so an.

SCHAU INS BLAU: Und wie ver­än­dern die neu­en Medi­en, die elek­tro­ni­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on die Wahr­neh­mung von Hei­mat, Zuhau­se und letzt­lich auch von mensch­li­chen Bezie­hun­gen? Spielt das eine Rol­le in Dei­nen Büchern?

KRISTOF MAGNUSSON: Die­se Über­le­gung habe ich auch schon gehabt, von wegen: Ich bin zu Hau­se, wo mein Han­dy ist. Das ist ein lus­ti­ger Gedan­ke, aber ich den­ke das ist Quatsch. Ich bin der­zeit jeden Tag fünf oder sechs Stun­den in der Bahn und wür­de trotz­dem nicht behaup­ten, dass dort mein Zuhau­se ist. Wahr­schein­lich sind das die bei­den Din­ge, aus denen wir ver­su­chen, ein Zuhau­se zu bas­teln: aus mensch­li­chen Kon­tak­ten und einem Ort, einer Woh­nung zum Bei­spiel. Wenn es nur der Ort wäre, dann wäre es als lite­ra­ri­sches The­ma auch weni­ger interessant.

SCHAU INS BLAU: Die­ses Fremd­heits­ge­fühl ist ein Aspekt der Kri­sen, in die Dei­ne Roman­fi­gu­ren gera­ten. Frü­her gab es die klas­si­sche Mid­life Cri­sis, die männ­lich kon­no­tiert irgend­wo in den Fünf­zi­gern des Lebens ange­sie­delt wur­de. Erfolgs­ty­pen, erfolg­rei­che Fami­li­en­vä­ter fra­gen sich nach dem Sinn ihres Lebens. Inzwi­schen gibt es angeb­lich die Quar­ter­li­fe Cri­sis — zumin­dest als Begriff. Könn­te man sagen, Larus und Mei­ke ste­cken in solch einer Kri­se oder doch zumin­dest in einer per­sön­li­chen Umbruchphase?

KRISTOF MAGNUSSON: Die ste­cken in Kri­sen, ganz ein­deu­tig! Die sind in einer Sack­gas­se und haben auf das fal­sche Pferd gesetzt. Aber das mit einem Begriff wie ‚Quar­ter­li­fe Cri­sis‘ zu asso­zi­ie­ren oder zu einem Gene­ra­tio­nen­pro­blem zu machen, das ist eine Sache, gegen die ich mich immer gewehrt habe. Des­we­gen habe ich schließ­lich im neu­en Roman drei Per­so­nen gewählt, von denen die drit­te sech­zig Jah­re alt ist. Mir kommt es gera­de dar­auf an, dass sich heut­zu­ta­ge — mit dem Auf­wei­chen tra­di­tio­nel­ler Bio­gra­phien — sol­che Kri­sen und Sack­gas­sen­ge­füh­le immer wie­der und unab­hän­gig vom Alter ein­stel­len kön­nen. Der Begriff ‚Mid­life Cri­sis‘ hat viel­leicht noch für die Baby­boo­mer-Gene­ra­ti­on Sinn erge­ben. Danach folg­te schon sehr viel nebu­lö­ser die Gene­ra­ti­on X. Seit­dem erscheint die­ses andau­ern­de Gene­ra­tio­nen­ge­wer­kel und ‑gesu­che nur noch als eine müh­sa­me Form der Eti­ket­tie­rung, die letzt­end­lich eine Art Abla­de­stel­le für Selbst­mit­leid ist, nach dem Mot­to: Ich muss nichts an mei­nen Pro­ble­men machen, weil das sind nun mal die Pro­ble­me mei­ner Gene­ra­ti­on. Des­we­gen gehen mir die­se Gene­ra­tio­nen­be­grif­fe auf die Ner­ven. Ich bin schon ein Fan von Ver­su­chen, durch Reduk­ti­on von Kom­ple­xi­tät zu ein­fa­chen Aus­sa­gen zu gelan­gen, aber das sind nicht die rich­ti­gen ein­fa­chen Aus­sa­gen. Gene­ra­tio­nen­zy­klen sind inzwi­schen so kurz gewor­den, dass man von Gene­ra­ti­ons­zu­schrei­bun­gen ein­fach abse­hen sollte.

SCHAU INS BLAU: Das bedeu­tet aber auch, dass es nicht Sar­kas­mus ist, aus dem her­aus Du Dei­ne Figu­ren in sol­che Sack­gas­sen und Kri­sen hin­ein­ren­nen lässt.

KRISTOF MAGNUSSON: Nein, das ist kein Sar­kas­mus. Das ist ein­fach das, was ich aus per­sön­li­chem Erle­ben ken­ne und womit ich mich sehr viel beschäf­tigt habe. Was mich umtreibt, ist die Fra­ge: Wie soll man leben?

SCHAU INS BLAU: Ich habe den Ein­druck, dass die­se Gene­ra­tio­nen­e­ti­ket­tie­run­gen ohne­hin ein Feuil­le­ton­phä­no­men sind. Es ent­wi­ckelt sich irgend­was, man weiß nicht genau was und sucht nach irgend­ei­nem Begriff, um es benen­nen zu kön­nen, letzt­lich um etwas Hand­fes­tes zu haben.

KRISTOF MAGNUSSON: Ja natür­lich, man erfin­det Labels. Wie gesagt, gene­rell habe ich auch gar nichts dage­gen ein­zu­wen­den, in die­sem Fall sind es nur ein­fach die fal­schen. Kri­sen gibt es immer, grund­le­gen­de mensch­li­che Pro­ble­me, die immer wie­der­keh­ren. Das hat aber mit Gene­ra­tio­nen nichts zu tun. Sehr ent­lar­vend emp­fin­de ich das bei der Gene­ra­ti­on Prak­ti­kum. Da wird in die Ver­la­ge geguckt, zu den Medi­en, zu den hip­pen Archi­tek­tur­bü­ros, wo Leu­te für 300 Euro ein Prak­ti­kum machen. Das stimmt natür­lich, aber das sind alles Leu­te, die ihren Traum­job ver­fol­gen und die sich auf dem Weg dahin von ihren Eltern finan­zie­ren las­sen, um her­aus­zu­fin­den, ob er für sie erreich­bar ist. Das ist ein Luxus­pro­blem und kein Pro­blem des sozia­len Ver­falls, denn Aka­de­mi­ker haben größ­ten­teils kei­ne Schwie­rig­kei­ten einen Job zu bekom­men. In die­sem Punkt wird es zynisch, weil es von unse­rem eigent­li­chen Pro­blem, näm­lich dem der Gering­qua­li­fi­zier­ten, ablenkt. Man könn­te statt­des­sen auch sagen, dass es groß­ar­tig ist, dass Leu­te sol­che Prak­ti­ka machen kön­nen, dass vie­le von uns Eltern haben, die sagen kön­nen: Du willst bei Dani­el Lie­bes­kind arbei­ten? Ich geb’ dir etwas dazu, mach’ dein Ding, ver­fol­ge dei­nen Traum.

SCHAU INS BLAU: Vie­len Dank für das Gespräch.

 

Kris­tof Magnus­son wur­de 1976 in Ham­burg gebo­ren und stu­dier­te nach sei­ner Aus­bil­dung zum Kir­chen­mu­si­ker am Deut­schen Lite­ra­tur­in­sti­tut Leip­zig und der Uni­ver­si­tät Reykja­vík. Er war nicht nur Stadt­schrei­ber des Goe­the-Insti­tuts in Pune (Indi­en), son­dern auch Wri­ter in Resi­dence an der Uni­ver­si­ty of Iowa. Für sei­ne Dra­men und Roma­ne erhielt Kris­tof Magnus­son etli­che Aus­zeich­nun­gen (u. a. Arbeits­sti­pen­di­en vom Deut­schen Lite­ra­tur­fonds und Deut­schen Über­set­zer­fonds; Lite­ra­tur­för­der­preis der Frei­en und Han­se­stadt Ham­burg sowie den Rau­ri­ser Lite­ra­tur­preis für die bes­te Pro­sa-Erst­ver­öf­fent­li­chung). Dar­über hin­aus ist Kris­tof Magnus­son durch Über­set­zun­gen islän­di­scher Lite­ra­tur bekannt (Pro­sa von Einar Kára­son, Hall­grí­mur Hel­gason, Thór­ber­gur Thórðar­son; Gedich­te von Sigurb­jörg Thras­tar­dót­tir und Han­nes Sig­fús­son; Thea­ter­stü­cke von Thor­val­dur Thorsteinsson).