Der Apfeldatschi

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von Veronika Raila

Man neh­me 500 g Mehl, gibt dies durch ein fei­nes Sieb in eine gro­ße Schüs­sel. In einer zwei­ten, etwas klei­ne­ren, zer­brö­selt man den Inhalt eines Päck­chens Hefe, gibt dar­auf etwas lau­war­me Milch, zer­drückt dann die Brö­sel ein wenig, streut einen Ess­löf­fel Zucker und eine Pri­se Salz dar­über. Man reibt die Scha­le einer Zitro­ne dar­über. Schließ­lich nimmt man ein biss­chen von dem gesieb­ten Mehl, streut es dar­auf und ver­mengt das Gan­ze so lan­ge, bis ein sehr dick­flüs­si­ger, eher etwas leh­mi­ger Teig­kloß ent­steht.  Mit den Hän­den wird das Mehl in der gro­ßen Schüs­sel so geformt, dass sich eine Gru­be bil­det. Vor­sich­tig legt man dann in die­se den Teig­kloß hin­ein, bestäubt ihn mit ein biss­chen Mehl aus dem Sieb, bis er ganz zuge­deckt ist.  Zum Ruhen schlägt man die Schüs­sel mit einem Lein­tuch ein und stellt sie an einen war­men Ort, damit er gedei­hen kann. 

Wie oft hat­te sie die­se Zei­len gele­sen? Aus­wen­dig kann­te sie die Wör­ter, man­che Buch­sta­ben waren bereits so abge­grif­fen, dass sie nicht ein­mal mehr ihre Schat­ten hin­ter­las­sen haben. Etwas müde setz­te sie sich auf den Stuhl.  Die Schüs­sel mit den Zuta­ten stell­te sie an einen war­men Ort neben der Hei­zung und begann, die etwas alten und zum Teil schon ver­schrum­pel­ten Äpfel zu schälen.

Mit der rech­ten Hand griff sie das klei­ne Mes­ser, das vom vie­len Schlei­fen nur noch eine schma­le Klin­ge auf­wies, in die lin­ke Hand nahm sie einen von den alten und schon etwas ver­hut­zel­ten Äpfeln. Zügig hal­bier­te und vier­tel­te sie ihn. Nun nahm sie ein Vier­tel, setz­te das Mes­ser am Stiel an, folg­te dem Halb­rund des Kern­hau­ses, kipp­te es her­aus und lös­te mit einem gekonn­ten Ruck den Strunk vom Frucht­fleisch. Jetzt setz­te sie das Mes­ser erneut am feh­len­den Stiel an, führ­te die Klin­ge genau zwi­schen Frucht­fleisch und Scha­le hin­durch. So lös­te sie in drei bis vier Strei­fen die Haut vom fruch­ti­gen Flei­sche ab. Jedes die­ser Stü­cke wur­de noch ein­mal längs durch­ge­schnit­ten.  Der Baum, von dem die Äpfel stam­men, pflanz­te Opa schon vor lan­ger Zeit, wenn sie genau über­leg­te, um die Zeit ihrer Heirat.

Die Apfel­stü­cke lagen, befreit von Kern­haus und Scha­le, leicht bräun­lich vor ihr auf dem Brett aus Holz. Mit ihren immer noch sehr schlan­ken, aber zum Teil schon stei­fen Fin­gern, sam­mel­te sie die Ach­tel flink ein, um Platz für den Teig frei­zu­ma­chen. Sie nahm kei­nen Koch­löf­fel oder gar so ein moder­nes Rühr­ge­rät, nein, sie griff mit den Hän­den in den leh­mi­gen Kloß, quetsch­te ihn, bis die feuch­te Mas­se zwi­schen den Fin­gern her­aus quoll. Sie nahm von der Sei­te etwas Mehl dazu und wie­der­hol­te die­sen Vor­gang. Es form­te sich ein grö­ße­rer, tro­cke­ne­rer Teig, den man jetzt rol­len konn­te. Das rest­li­che Mehl arbei­te­te sie wie­der mit den Hän­den ein, roll­te ihn ein letz­tes Mal rund. Zärt­lich tät­schel­te sie ihr Werk, leg­te es in die gro­ße Schüs­sel zurück. Wie­der­um bestäub­te sie den Teig­kloß mit etwas Mehl, bedeck­te ihn schließ­lich mit einem Tuch und stell­te die Schüs­sel an einen war­men Ort, damit er gehen konnte.

Sie wisch­te den Tisch ab, leg­te das gro­ße Nudel­brett dar­auf, staub­te die­ses mit Mehl ein, misch­te in einem Glas Zimt mit Zucker und leg­te das Nudel­holz zurecht. Sie dach­te an frü­her, als sie von ihrer Mut­ter das Backen gelernt hat­te, dach­te auch dar­an, dass man damals zum Nudel­holz noch Wargl­holz sag­te, naja, man kann die moder­nen Zei­ten nicht auf­hal­ten. Jetzt hat­te sie ein biss­chen Zeit und weil sie schon etwas müde gewor­den war, setz­te sie sich auf den Küchenstuhl.

Ihre Bli­cke streif­ten lie­be­voll über die Ein­rich­tung. Nein, mit den moder­nen Hoch­glanz­kü­chen konn­te die­se nicht mit­hal­ten. Die Ober­flä­che der Käs­ten ist, wie es damals modern gewe­sen war, in sich gemus­tert, ganz leicht, nicht auf­dring­lich, aber doch licht und hell. Der Herd hat­te schon meh­re­re Repa­ra­tu­ren hin­ter sich, der Kühl­schrank, der neben dem Spü­le­schrank ein­ge­baut war, lief die gan­ze Zeit, ein Zei­chen, dass der Motor schwach und müde war und bald auf­ge­ben wür­de. Eigent­lich hat­te sie gehofft, dass sie in die­sem Leben kei­nen Neu­en mehr kau­fen müsste.

So, jetzt aber nicht wei­ter sin­nie­ren, der Teig war gegan­gen. So zärt­lich, wie sie ihn hin­ein­ge­legt hat­te, nahm sie ihn jetzt aus der Tie­fe der Schüs­sel her­aus, leg­te ihn auf das Brett und teil­te den Kloß in vier, mög­lichst gleich gro­ße Tei­le. Mit dem Hand­bal­len drück­te sie ein Vier­tel flach. Das Wargl­holz leg­te sie in der Mit­te auf den ent­stan­de­nen Teig­fla­den, nahm mit der lin­ken und rech­ten Hand die höl­zer­nen Grif­fe, gab Druck auf das Holz und ver­such­te das Vier­tel in jede Rich­tung aus­zu­rol­len. Aber so sehr sie sich anstreng­te, der Teig war wider­spens­tig und zäh, es woll­te ihr nicht gelin­gen. Er füg­te sich nicht in die gewünsch­te Form.

Sie leg­te das Holz zur Sei­te und begann, ihn mit den Hän­den aus­zu­zie­hen. Fest umgriff sie den etwas dicke­ren Rand und zog so, wie man ein Lein­tuch zieht, nach­dem es ein­ge­sprengt wur­de, um die­ses mög­lichst glatt zu bekom­men. Der Teig wider­setz­te sich immer noch. Nun griff sie vehe­men­ter und mit gespreiz­ten Fin­gern in die Mas­se des Tei­ges hinein.

Das Feuch­te und Kleb­ri­ge formt sich auf ein­mal zu Bän­dern und beginnt mit ihr zu spie­len. Es umwi­ckelt die Fin­ger, ein­zeln, von der Kup­pe bis zum ers­ten Glied, hält ein biss­chen inne, der Teig ori­en­tiert sich, umwi­ckelt das mitt­le­re Glied, hält da wie­der inne und ent­schließt sich letzt­end­lich ganz bis zur Wur­zel der Fin­ger hoch zuwan­dern. Die Frau erschrickt. Nun sam­meln sich die ein­zel­nen Teig­bän­der zu einem grö­ße­ren, der sich des Bal­lens, der Innen­flä­che und schließ­lich des Hand­rü­ckens bemäch­tigt. Nach einer kur­zen Rast schlän­gelt sich der Teig gegen den Uhr­zei­ger­sinn bei­de Arme hoch und hält erst inne, als der Ober­arm fast ganz bedeckt ist.  Jetzt wun­dert sie sich doch über sich selbst, sie emp­fin­det die­se Ein­klei­dung nicht als gänz­lich unan­ge­nehm. Der Teig ist feucht und warm, er klebt auf der Haut, aber er schenkt auch ein Gefühl der Geborgenheit.

Sie setz­te sich wie­der auf den Stuhl und ruh­te ein biss­chen aus.  Nein, jetzt hät­te sie bei­na­he die Wäsche ver­ges­sen, sie springt  auf, geht in die Wasch­kü­che hin­un­ter und holt die Koch­wä­sche aus der Maschi­ne. Selt­sam, beim Anfas­sen der Wäsche bleibt kein auch noch so klei­nes Stück­chen Teig an der­sel­bi­gen haf­ten. Alles schnell auf die Lei­ne gehängt und wie­der in die Küche zurück.

Zwei Vier­tel des Tei­ges lachen sie vom Nudel­brett aus an, angriffs­lus­tig nimmt sie eines davon und exer­ziert das glei­che Ritu­al. Kei­ne Ände­rung der Form, ein­fach wider­spens­tig. Dann schie­be ich eben eine ande­re Arbeit ein. Sie will ins Bügel­zim­mer, um die Wäsche für den nächs­ten Tag ein­zu­spren­gen, aber als sie die Klin­ke drückt, springt das Schloss nicht auf, sie ver­sucht es noch­mal und noch­mal. Kein Ein­tre­ten mög­lich! Aber sie muss doch nach­se­hen, ob etwas nicht in Ord­nung ist, also holt sie den Hand­boh­rer und setzt ihn auf Augen­hö­he an. Müh­sam bewegt sich der Boh­rer in das Holz, schließ­lich ist er dann doch mit einem Ruck durch. Sie zieht ihn her­aus, wischt mit der teig­über­zo­ge­nen Hand die Sprei­ßel weg und schaut durch das Loch. Das Zim­mer erscheint unver­än­dert, alles liegt noch an sei­nem Platz, soweit sie sehen kann. Halt, bis auf, ja komisch denkt sie bei sich, bis auf das Tauf­kleid der Enke­lin, sie hat ange­nom­men, es wäre längst ein­ge­mot­tet, aber nein, da liegt es auf der Sei­te — ein leich­ter Hauch von einem Nichts das Über­kleid, dar­un­ter schwe­re creme­far­be­ne Sei­de. Ja, die Tau­fe ist schon etwas Beson­de­res gewe­sen. Alle hat­ten Angst, ob das Mäd­chen, auf­grund ihres zer­brech­li­chen Zustan­des, die ers­te Zeit über­le­ben wür­de. Aber sie tat es. Zurück in der Küche setzt sie sich wie­der auf den Stuhl, arg­wöh­nisch beob­ach­tet sie den Teig. Viel­leicht hört der Teig auf die­ses Kin­der­lied? Sie spricht mehr, als sie singt:

 

Backe, backe Kuchen,

der Bäcker hat geru­fen.

Was ist das? Der Teig bewegt sich, eine Wel­le formt sich und rollt vom spit­zen bis zum stump­fen Ende und wie­der zurück. Dann ändert sie die Rich­tung und kommt von der Sei­te her. Ein gewal­ti­ges Durch­ein­an­der ergibt es, als sich dann noch eine Bla­se aus der Mit­te des Tei­ges erhebt.

Wer will guten Kuchen backen,

der muss haben sie­ben Sachen,

Aus die­ser Bla­se, die zu pul­sie­ren beginnt, formt sich mit der Zeit ein Ohr, es sieht aus wie ein rich­ti­ges mensch­li­ches Ohr, mit äuße­rem Wulst, muschel­ar­ti­ger Ver­tie­fung und einem Läpp­chen. Der Wulst kippt ein­mal hoch, das nächs­te Mal hin­un­ter. Die Muschel wölbt sich nach außen und dann nach innen, im Läpp­chen sieht man das Herz schla­gen, immer und immer wie­der. Die­ser Tanz wie­der­holt sich eini­ge Male, er ver­lang­samt sei­nen Rhyth­mus und kommt schließ­lich zum Still­stand. Ruhig liegt das Ohr nun vor ihr.

Eier und Schmalz,

Zucker und Salz

Das Läpp­chen beugt sich nach oben, der Teig unter dem Ohr win­det sich zu einem Strang, der schließ­lich das Ohr nach oben hebt. Immer län­ger wird der Strang, der wie eine Schlan­ge vor ihrem Beschwö­rer zu tän­zeln beginnt.

Backe, backe Kuchen,

der Bäcker hat gerufen.

Das Ohr mit sei­nem Fuß scheint dar­auf zu hören.

Wer will guten Kuchen backen,

der muss haben sie­ben Sachen,

Es tän­zelt von links nach rechts und wie­der zurück. Macht eine klei­ne Ver­beu­gung, geht in die nicht sicht­ba­ren Knie, dreht eine Pirou­et­te, wen­det auf dem Fuß und geht rück­wärts in die Ecke des Nudel­bret­tes. Das letz­te Vier­tel arbei­tet sich in die Mit­te der Büh­ne, robbt im Kreis, macht auf sich auf­merk­sam, bit­tet um das Lied.

Backe, backe Kuchen,

der Bäcker hat gerufen.

Das Vier­tel bleibt ruhig lie­gen, ein Band trennt sich vom Teig­stück ab, folgt der Kon­tur des Vier­tel­krei­ses, zuerst die bei­den Sei­ten, dann über den Kreis­bo­gen, um wie­der ein Teil der bei­den gera­den Sei­ten abzu­tren­nen und so wei­ter, und so wei­ter. Schließ­lich liegt ein Band aus Teig vor ihr, ein Band des­sen dicke­res Ende, einem Köpf­chen gleich, sel­bi­ges in die Luft reck­te und um Beschwö­rung bittet.

Wer will guten Kuchen backen,

der muss haben sie­ben Sachen,

Das Köpf­chen beginnt sich nach hin­ten weg­zu­bie­gen und ein­zu­rol­len, gera­de­so, wie man Wol­le auf ein Strick­knäu­el wickelt. Das Knäu­el wird immer dicker und rollt so lan­ge, bis fast das gan­ze Band auf­ge­wi­ckelt ist. Die­ser Rest zieht sich aus­ein­an­der und wird hauch­dünn, stülpt sich über die mitt­ler­wei­le sehr fest gewor­de­ne Kugel. Die Teig­schicht reißt quer in der Mit­te durch, an den Kan­ten wach­sen Wim­pern, sehr dich­te, dunk­le Wim­pern. Das Auge öff­net sich, blickt Oma an, sanft und gütig, dann schließt es sich wieder.

Eier und Schmalz,

Zucker und Salz,

Milch und Mehl,

Safran macht den Kuchen gehl!

Das Auge will tan­zen. Es dreht sich auf der Stel­le, bis ihm ein lan­ger Fuß, gera­de­zu wie dem Ohr, wächst. Es ver­sucht die Kunst­stü­cke des Ohres nach­zu­ma­chen, tän­zelt von rechts nach links, macht eine klei­ne Ver­beu­gung, geht in die nicht sicht­ba­ren Knie, dreht eine Pirou­et­te, und dreht und dreht bis, ja, bis es dem Auge schwin­de­lig wird und es leicht grün­lich, gelb­lich anläuft. Nun stellt es sich brav neben das Ohr in die Ecke des Nudelbrettes.

Oma lässt sich auf den Stuhl fal­len, was die bei­den Tän­zer zum Anlass neh­men, sich wie­der in die Mit­te der Büh­ne zu bewe­gen. Bei­de machen eine klei­ne Ver­beu­gung, hal­ten den Atem an und war­ten auf den Ein­satz des Kapellmeisters. 

Backe, backe Kuchen,

der Bäcker hat gerufen.

Wer will guten Kuchen backen,

der muss haben sie­ben Sachen,

Eier und Schmalz,

Zucker und Salz,

Milch und Mehl,

Safran macht den Kuchen gehl!

Die bei­den dre­hen sich zuein­an­der, ver­beu­gen sich, legen die Hän­de in der Figur des Wal­zers inein­an­der und begin­nen sich im Takt zu dre­hen. Sie wie­gen ihre Kör­per gra­zil, leben­dig und fast ein biss­chen geheim­nis­voll. Das Tem­po stei­gert sich. Die Musik ist in ihrem Kopf gut zu hören, das Auge links, das Ohr rechts, wie­gen wie­der zurück. Die Dre­hun­gen wer­den schnel­ler und schnel­ler, bis für die Oma nicht mehr erkenn­bar ist, wer gera­de links und rechts tanzt. Die bei­den Füße der Tän­zer sind über­for­dert. Sie lösen sich nicht mehr schnell genug vom Brett, blei­ben kle­ben, wäh­rend die Ober­kör­per die Dre­hun­gen aus­füh­ren. Die Füße wer­den zu einer Spi­ra­le, fest inein­an­der ver­schlun­gen, die abschnellt.

So etwas ist nicht leicht zu ver­ste­hen, dach­te Oma bei sich und beschloss, auf dem Flur auf und ab zu gehen. Klar­heit woll­te sie erlan­gen, alles im rich­ti­gen Licht sehen. Die Tür zum Wohn­zim­mer war nur ange­lehnt, sie stieß sie wei­ter auf. Alles war wie gewohnt, beim Alten, nichts hat­te sich ver­än­dert. Gut so. Dann drück­te sie die Klin­ke der Bade­zim­mer­tür. Auch die­se sprang gleich auf und gab den Blick frei – alles unver­än­dert, doch das klei­ne Fens­ter war weit offen, der Wind blies kräf­tig her­ein. Sie schloss es und ging zum Schlaf­zim­mer, vor­bei an einem Tür­rah­men, den sie noch nie gese­hen hatte.

Auch die Tür selbst ist ihr gänz­lich unbe­kannt. Sie ist mit lau­ter klei­nen Täfel­chen aus Kup­fer beschla­gen, in die selt­sa­me Zei­chen ein­gra­viert sind. Zei­chen, die an Buch­sta­ben erin­nern, aber für sie nicht zu lesen sind. Der Rah­men ist aus Stein, Sand­stein, um genau­er zu sein. Neu­gie­rig nähert sie sich der Tür, der Teig auf ihrer Haut beginnt sich fes­ter um die Arme zu zie­hen, sie spürt den Druck, frös­telt dabei, Schweiß­per­len tre­ten aus der Stirn, flie­ßen zur Sei­te hin ab. All ihren Mut fasst sie zusam­men, sie will sehen, was sich hin­ter die­ser Tür ver­birgt, lässt dann auf ein­mal die Hand kraft­los sinken.

Wie­der zurück in der Küche, setzt sie sich noch­mals auf den Stuhl, und begann zu sin­nie­ren. Sie nes­tel­te an ihrer Küchen­schür­ze und hol­te ein Taschen­tuch her­vor. Ihr Blick ging ins Leere.

Am nächs­ten Mor­gen fand man sie, ihr Kopf lag in dem aus­ge­roll­ten und bereits sehr lan­gen gegan­ge­nen Hefe­teig. Als man sie lie­be­voll auf­rich­ten woll­te, blieb der bereits getrock­ne­te Teig an ihrem Gesicht kle­ben. Vor­sich­tig wur­de die Toten­mas­ke ent­fernt, geba­cken und geges­sen. Auge und Ohr wur­den für die Enke­lin aufgehoben.

Schieb, schieb in’n Ofen ‘rein.

Vero­ni­ka Rai­la, 1992 in Augs­burg gebo­ren muss­te schon immer alles auf­schrei­ben, was sie zu sagen hat­te.  Nach einer ver­kürz­ten Gym­na­si­al­zeit fing sie an der Uni Augs­burg an, Neue­re deut­sche Lite­ra­tur­wis­sen­schaf­ten und katho­li­sche Theo­lo­gie zu stu­die­ren. Bald gab es auch ers­te Ver­öf­fent­li­chun­gen und Prei­se für ihr Schrei­ben (Medi­en­echo & Prei­se). Nach der Bache­lor­ar­beit wid­me­te sie sich voll und ganz ihrem auto­bio­gra­phi­schen Film „Das Sand­mäd­chen“, der Prei­se in der Kurz­ver­si­on und eini­ge in der Lang­ver­si­on (Sand­mäd­chen – Ein Doku­men­tar­film von Mark Michel und Vero­ni­ka Rai­la) erhielt. Danach kehr­te sie an die Uni zurück, um ihre Stu­di­en fort­zu­set­zen. Lite­ra­risch sind ihre Arbei­ten meist im phan­tas­ti­schen Rea­lis­mus anzu­sie­deln. Kaf­ka hat sie immer unglaub­lich inspi­riert, dane­ben Botho Strauß und die Lek­tü­re der mit­tel­al­ter­li­chen Hel­den­ge­schich­ten. Soll­te sie ein­mal nicht schrei­ben oder lesen, frönt sie dem Malen, dem Malen ihrer inne­ren Bilder.